In der Nacht erwacht, die noch müden Gedanken räkeln sich. Sie strecken und zerren an meinem Sein in die sich erwachende Nacht. Ein neuer Tag ergibt sich mir. Voll der Möglichkeiten, Wahrscheinlichkeiten einer Zukunft. Ich weiß jetzt schon, dass sich nichts weltenumwälzendes ergeben wird. Und doch begrüße ich den neuen Morgen. Als das, was er eben ist. Ein Neuanfang, ein weiterer Schritt auf meinem ureigenen Pfad.
Wir werden in einem Menschenleben niemals die ganze Welt erleben. Sicher können wir reisen und andere Länder besuchen. Aber das komplette Große und Ganze können wir nur im Grunde erahnen.
Und vielleicht liegt gerade in dieser Beschränkung eine stille Einladung. Eine Einladung, den Blick nach innen zu richten, statt ihn verzweifelt an den unendlichen Horizont zu heften. Wenn wir das „Ganze“ nicht greifen können, so können wir doch das „Eigene“ voll und ganz erfahren.
Dieser Morgen, so unspektakulär er auch sein mag, ist ein solches Eigenes. Er ist kein globaler Meilenstein, aber er ist ein Meilenstein meiner Existenz. Das fahle Licht, das sich jetzt seinen Weg ins Zimmer sucht, beleuchtet nicht die Welt, aber es beleuchtet meinen Tisch, meine Hände, den Staub auf dem Bücherregal. Das sind die Details meines Universums.
Der „ureigene Pfad“, von dem ich sprach, besteht nicht aus großen Sprüngen über Kontinente, sondern aus diesen kleinen, bewussten Schritten. Der Schritt aus dem Bett. Der erste Schluck heißen Kaffees, der die Lebensgeister weckt. Das bewusste Atmen, während die Gedanken langsam klarer werden. Sie zerren nicht mehr, sie ordnen sich.
In der Akzeptanz dieses kleinen, greifbaren Ausschnitts der Realität liegt eine tiefe Ruhe. Ich muss nicht die ganze Welt verstehen, um diesen einen Tag zu begrüßen. Ich muss nur bereit sein, ihn zu erleben – als meinen Teil des Ganzen.
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