mother and daughter sitting on tree log
Photo by Anastasiya Lobanovskaya on <a href="https://www.pexels.com/photo/mother-and-daughter-sitting-on-tree-log-840566/" rel="nofollow">Pexels.com</a>

Eine Geschichte über das Unscheinbare, das alles verändert

Es gibt diese Momente, die sich wie Zeitfalten in das Gewebe unseres Daseins legen – unscheinbar im Entstehen, gewaltig in ihrer Wirkung. Für Matthias Berger war es ein gewöhnlicher Dienstagmorgen im November, als das Schicksal mit der Subtilität eines Pinselstrichs seinen Lebensleinwand neu kolorierte.

Die Kaffeebohnen in der Rösterei „Morgentau“ verströmten ihren betörenden Duft in die kühle Herbstluft. Die Schlange vor der Theke wand sich wie ein geduldiger Fluss durch den kleinen, überfüllten Raum. Menschen in Wintermänteln, die Gesichter noch verschlafen, die Gedanken bereits im Tagesgeschehen verloren. Matthias stand in dieser Menschenschlange, die Brille leicht beschlagen vom Temperaturunterschied, die Finger um seine abgenutzte Ledertasche geschlungen, in der seine Manuskripte ruhten wie schlafende Kinder.

Der Literaturprofessor wartete, die Gedanken bei einem Gedichtband, den er später mit seinen Studenten besprechen würde. Rilke. „Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.“ Eine Zeile, die ihm immer wieder durch den Kopf ging, wenn er unter Menschen war. Worte – sein Werkzeug, seine Leidenschaft, seine Mauer.

Und dann geschah es.

Im Spiegelspiel der Glasvitrine fing er einen Blick ein, der nicht für ihn bestimmt war. Ein reflektiertes Augenpaar, das gedankenverloren in die Ferne starrte. Haselnussbraun mit einem Hauch von Bernstein, umrahmt von dunklen Wimpern. Es waren Augen, die Geschichten erzählten, ohne ein Wort zu sprechen.

Die Frau stand am anderen Ende des Raumes, ein Buch aufgeschlagen in den Händen, das sie nicht las. Sie trug einen nachtblauen Mantel, der mit dem Rotbraun ihrer lockigen Haare kontrastierte. Es war nichts Auffälliges an ihr und doch konnte Matthias den Blick nicht abwenden.

„Der Nächste bitte.“

Die Barista riss ihn aus seiner Betrachtung, und Matthias bestellte seinen üblichen schwarzen Kaffee. Als er sich umdrehte, war die Frau verschwunden, ein Phantom der Morgenstunde. Nur ein leerer Platz am Fenster und ein vergessener Handschuh aus weinrotem Leder zeugten davon, dass sie je dort gestanden hatte.


Die Tage verstrichen wie Blätter im Herbstwind. Der vergessene Handschuh lag nun in Matthias‘ Schreibtischschublade – ein stummer Zeuge seiner Unfähigkeit, ihn abzugeben. Er hatte ihn mitnehmen wollen, um ihn beim nächsten Besuch dem Personal zu übergeben, doch etwas hielt ihn davon ab. Es war, als hätte dieser Handschuh ein Geheimnis bewahrt, das nur darauf wartete, entdeckt zu werden.

Seine Vorlesungen über die deutsche Romantik liefen wie ein mechanisches Uhrwerk, während sein Geist um die Fremde kreiste. Er analysierte Novalis und Eichendorff, sprach von der „blauen Blume“ und der Sehnsucht nach dem Unendlichen, während er sich selbst in einer Sehnsucht nach einem Gesicht verlor, das er nur für Sekunden gesehen hatte.

„Professor Berger? Die Stunde ist vorbei.“

Seine Studentin Lisa stand vor ihm, ein fragender Ausdruck auf dem Gesicht. Der Hörsaal hatte sich geleert, ohne dass er es bemerkt hatte.

„Natürlich, danke“, murmelte er und begann, seine Unterlagen zusammenzupacken.

„Alles in Ordnung? Sie wirkten heute so… abwesend.“

„Die Romantiker“, lächelte er entschuldigend. „Sie haben die Angewohnheit, mich zu entführen.“


Eine Woche später – die Novembertage hatten sich zu einem grauen Einerlei verbunden – betrat Matthias wieder die Rösterei. Er kam jeden Dienstag hierher, eine Gewohnheit, die er seit Jahren pflegte. Doch diesmal war sein Blick suchend, seine Haltung weniger in sich gekehrt.

Sie war nicht da. Natürlich nicht. Die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Begegnung war verschwindend gering in einer Stadt wie Berlin, wo Millionen Menschen wie Atome umeinander kreisten, sich selten zweimal berührend.

„Das Übliche?“, fragte der Barista.

„Ja, bitte. Und…“ Er zögerte, zog dann den weinroten Handschuh aus seiner Tasche. „Hat jemand nach diesem gefragt? Ich habe ihn letzte Woche hier gefunden.“

Der junge Mann betrachtete den Handschuh und schüttelte den Kopf. „Nicht dass ich wüsste. Aber ich kann ihn in die Fundkiste legen.“

„Nein“, sagte Matthias zu schnell. „Ich meine, ich behalte ihn noch. Falls ich die Person wiedersehe.“

Der Barista hob eine Augenbraue, sagte aber nichts weiter.

Mit seinem Kaffee setzte sich Matthias an den Tisch am Fenster, den gleichen Platz, an dem sie gestanden hatte. Er legte den Handschuh vor sich hin wie ein Relikt einer vergangenen Zeit. Die Worte von Hölderlin schwebten durch seinen Geist: „Was bleibet aber, stiften die Dichter.“ Was blieb von flüchtigen Begegnungen? Von unausgesprochenen Worten? Von unberührten Händen?

„Entschuldigung, ich glaube, das gehört mir.“

Die Stimme war warm wie Honig in Morgentee. Matthias blickte auf und fand sich den haselnussbraunen Augen gegenüber, die ihn seit Tagen verfolgten.

Sie stand vor ihm, ein halbes Lächeln auf den Lippen, den rechten Arm ausgestreckt, als wolle sie nach dem Handschuh greifen.

„Der Handschuh“, stammelte er.

„Ja“, sagte sie und lachte leise. „Ein treuer Begleiter, der mich verlassen hat. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben.“

„Ich wollte ihn abgeben“, begann Matthias zu erklären, spürte aber sofort, wie unaufrichtig es klang.

„Nach einer Woche?“ Ihr Blick war durchdringend, aber nicht vorwurfsvoll. „Sie müssen ein sehr beschäftigter Mann sein.“

„Matthias“, sagte er und erhob sich so hastig, dass sein Stuhl beinahe umkippte. „Matthias Berger.“

„Eleonora Weidner“, erwiderte sie und nahm seine ausgestreckte Hand. Ihre Berührung war warm, trotz der Kälte draußen. „Meine Freunde nennen mich Nora.“

Ein Name wie eine Melodie. Eleonora. Nora. Matthias ließ den Namen durch seinen Geist wandern, testete, wie er sich anfühlte.

„Setzen Sie sich doch“, sagte er und deutete auf den Stuhl ihm gegenüber. Zu seiner Überraschung nahm sie die Einladung an.

„Also, Herr Berger, was macht ein Handschuhdieb so beruflich?“

„Ich bin kein…“ Er hielt inne, als er ihr Schmunzeln bemerkte. „Ich unterrichte Literatur an der Universität.“

„Ein Wortweber also“, sagte sie und nippte an ihrem Tee. „Das erklärt den verträumten Blick.“

„Und Sie?“, fragte er, bemüht, das Gespräch am Laufen zu halten, diesen kostbaren Moment zu dehnen.

„Ich bin Restauratorin. Ich gebe alten Bildern ihre Farben zurück.“ Sie streckte ihre Hände aus, an denen feine Farbspuren zu sehen waren. „Meine Hände erzählen meine Geschichten.“

Es war der Beginn eines Gesprächs, das sich über Stunden erstreckte. Die Kaffeehausuhr tick-tackte unbeachtet, während sie von Büchern sprachen, von vergessenen Malern, von der Magie alter Gemälde und der Kraft geschriebener Worte. Zwischen ihnen entstand ein Raum, in dem die Zeit anders floss, langsamer, bedeutungsvoller.

„Ich sollte gehen“, sagte Nora schließlich und blickte auf ihre Uhr. „Meine Mittagspause ist längst vorbei.“

„Natürlich“, sagte Matthias und spürte, wie die reale Welt wieder in sein Bewusstsein sickerte.

Sie erhob sich, zog den wiedergewonnenen Handschuh über ihre rechte Hand. Die linke ließ sie nackt.

„Der andere?“, fragte Matthias.

„Den habe ich nie gehabt“, lächelte sie. „Ich kaufe immer nur einzelne Handschuhe. Eine seltsame Angewohnheit, ich weiß.“

Sie stand da, zwischen Gehen und Bleiben, ein Zwischenraum, der mit Möglichkeiten gefüllt war.

„Vielleicht“, begann Matthias und fand plötzlich seinen Mut, „könnten wir dieses Gespräch fortsetzen? Bei einem Abendessen?“

Der Moment der Stille war wie ein Innehalten des Universums.

„Ich würde mich freuen“, sagte sie schließlich. „Hier ist meine Nummer.“

Sie schrieb die Ziffern auf eine Serviette. Ihre Handschrift war fließend, fast wie gemalt, die Zahlen tanzten über das weiße Papier.

Als sie ging, nahm sie den Handschuh mit, ließ aber etwas anderes zurück: die Gewissheit, dass das Unscheinbare manchmal das Bedeutsamste ist.


Die Wochen vergingen, und aus einem Abendessen wurden viele. Matthias entdeckte, dass Nora eine Feinschmeckerin war, die Weinverkostungen liebte und eine Schwäche für französische Desserts hatte. Er erfuhr, dass sie Katzen mochte, aber keine haben konnte, weil sie allergisch war. Dass sie bei Gewitter nicht schlafen konnte und stattdessen am Fenster saß, um den Himmel zu beobachten. Dass sie Rilke liebte, aber Brecht noch mehr.

Er begann, Berlin durch ihre Augen zu sehen. Sie führte ihn zu versteckten Galerien, zu kleinen Buchhandlungen, die zwischen modernen Gebäuden eingeklemmt waren wie vergessene Zeitzeugen. Sie zeigte ihm Orte, an denen die Geschichte noch atmete, während er ihr die Welt der Worte öffnete, ihr Gedichte vorlas in stillen Parknischen und verlassenen Cafés.

Die Fremdheit zwischen ihnen schmolz wie Frühlingsschnee, enthüllte Schicht um Schicht ihrer Seelen. Es war, als hätten sie einander schon immer gekannt, in einem anderen Leben, einer anderen Zeit, und mussten sich nur wiedererinnern.

„Ich restauriere gerade ein Gemälde aus dem 18. Jahrhundert“, erzählte sie ihm eines Abends, als sie in seiner Wohnung saßen, umgeben von Büchern und dem sanften Kerzenlicht. „Ein Paar, das sich über einen Tisch hinweg ansieht. Es ist nichts Besonderes – kein berühmter Maler, keine wichtige historische Szene. Aber ihre Blicke… sie erzählen eine Geschichte.“

„Die Geschichte eines Anfangs?“, fragte Matthias und strich sanft über ihren Arm.

„Vielleicht“, lächelte sie. „Oder die einer langen, geteilten Vergangenheit. Das ist das Schöne an Kunst – sie lässt Raum für unsere eigenen Geschichten.“

In dieser Nacht küssten sie sich zum ersten Mal. Es war kein stürmischer, leidenschaftlicher Kuss aus Romanen. Es war sanft, fragend, wie ein vorsichtiges Herantasten an eine neue Sprache. Ihre Lippen berührten sich wie Federkiele, die Worte auf Papier schrieben, langsam, bedacht, jede Bewegung eine bewusste Entscheidung.


Der Winter wich dem Frühling. Die Stadt erwachte aus ihrer grauen Starre, und mit ihr erblühte etwas zwischen Matthias und Nora, das tiefer ging als die anfängliche Faszination.

Sie begannen, in dem jeweils anderen eine Heimat zu finden. Nora brachte Farbe in Matthias‘ geordnete Welt. Seine Wohnung, einst ein Reich der Bücher und des Minimalismus, füllte sich mit kleinen Kunstwerken, die sie für ihn schuf – Skizzen, Aquarelle, Momentaufnahmen ihrer gemeinsamen Erlebnisse. Er hingegen schenkte ihr Worte, schrieb Gedichte auf Zettel, die er in ihren Taschen versteckte, in Büchern, die er ihr lieh, unter Tellern beim Frühstück.

Doch es gab auch Schatten. Noras Arbeit nahm sie oft mit, ließ sie manchmal für Tage in eine Welt der Konzentration und Isolation verschwinden. Matthias‘ akademische Verpflichtungen forderten ebenfalls ihren Tribut, zogen ihn in lange Nächte des Lesens und Schreibens.

„Es ist, als würden wir um unsere Zeit kämpfen“, sagte Nora eines Abends, als sie erschöpft auf seinem Sofa saß, ein Glas Wein in der Hand. „Als müssten wir dem Leben Momente stehlen.“

„Vielleicht ist es das, was sie wertvoll macht“, antwortete er. „Diese gestohlenen Augenblicke.“

„Aber ich will mehr als Augenblicke“, sagte sie leise. „Ich will Tage, Wochen, Jahre.“

Es war das erste Mal, dass einer von ihnen die Zukunft so konkret benannte, die Möglichkeit einer gemeinsamen Zeit, die über flüchtige Momente hinausging.


Im Sommer, als die Stadt in der Hitze flimmerte und die Parks sich mit Leben füllten, nahm Matthias Nora mit an einen See außerhalb Berlins. Ein kleines Ferienhaus, umgeben von Kiefern und dem Duft von Harz und Wasser.

„Es gehörte meinen Großeltern“, erklärte er, während er die Türe aufschloss. „Hier habe ich meine Sommer verbracht, lesend, träumend.“

Das Haus war einfach – ein großer Raum mit einer offenen Küche, ein Schlafzimmer, eine Veranda mit Blick auf den See. Die Möbel waren alt, aber gepflegt, die Wände geschmückt mit verblassten Fotografien und Bücherregalen.

„Es ist perfekt“, flüsterte Nora und ließ ihren Blick durch den Raum wandern. „Ein Ort außerhalb der Zeit.“

Sie verbrachten eine Woche dort, abgeschnitten vom Alltag, eingetaucht in eine Welt, die nur ihnen gehörte. Sie schwammen im See bei Sonnenaufgang, lasen sich gegenseitig vor auf der Veranda, während der Regen auf das Dach trommelte. Nora malte den See in verschiedenen Lichtstimmungen, und Matthias schrieb ein Gedichtzyklen, inspiriert von ihrem Zusammensein.

Am letzten Abend, als sie am Ufer saßen und die Sonne den Himmel in flammendes Rot tauchte, nahm Matthias ihre Hand.

„Ich habe all die Jahre nach etwas gesucht, das ich nicht benennen konnte“, sagte er leise. „In Büchern, in Gedichten, in den Worten anderer Menschen. Ich dachte, die Antwort läge im Verstehen, im Analysieren, im Zerlegen der Welt in ihre Bestandteile.“ Er blickte zu ihr, sah das Sonnenlicht in ihren Augen tanzen. „Aber die Antwort warst du. Nicht als eine Lösung für ein Problem, sondern als die Frage, die ich mir nie zu stellen wagte.“

Nora schwieg, ihre Finger fest mit seinen verschlungen.

„Ich liebe dich“, sagte er. „Nicht wie in romantischen Gedichten, nicht wie in großen Erzählungen. Einfacher. Wahrer. Mit allem, was ich bin.“

Sie lehnte sich zu ihm, legte ihre Hand an seine Wange. „Die Restauratorin in mir weiß, dass manche Dinge nicht repariert werden müssen“, sagte sie. „Sie sind vollkommen in ihrer Unvollkommenheit. So wie wir.“

In dieser Nacht liebten sie sich zum ersten Mal – nicht als Höhepunkt einer langen Spannung, sondern als natürliche Fortsetzung des Weges, den sie gemeinsam beschritten. Ihre Körper fanden zueinander wie Worte in einem gut geschriebenen Satz, wie Farben in einem harmonischen Gemälde.


Der Herbst kam wieder, brachte die Stadt zum Leuchten in Gold und Rot. Ein Jahr war vergangen seit dem Tag, an dem Matthias einen Handschuh „gestohlen“ hatte.

Sie standen wieder in der Rösterei „Morgentau“, diesmal gemeinsam in der Schlange wartend. Nora trug ihren nachtblauen Mantel, er seine abgenutzte Ledertasche.

„Weißt du“, sagte sie plötzlich, „ich habe dich schon bemerkt, bevor du mich gesehen hast.“

Er blickte überrascht zu ihr. „Was meinst du?“

„An jenem Tag. Ich hatte dich schon wochenlang beobachtet. Du kamst immer dienstags, immer zur gleichen Zeit. Du saßt immer am selben Tisch, immer versunken in ein Buch. Ich war… fasziniert.“

„Du hast mich beobachtet?“, fragte er ungläubig.

Sie nickte, ein schelmisches Lächeln auf den Lippen. „Ich habe den Handschuh absichtlich liegengelassen. Ich hoffte, du würdest ihn finden.“

Matthias starrte sie an, versuchte zu begreifen, dass der Zufall, den er für Schicksal gehalten hatte, tatsächlich eine bewusste Entscheidung gewesen war.

„Du hast mir eine Falle gestellt“, sagte er schließlich, Bewunderung in seiner Stimme.

„Nennen wir es ‚künstlerische Intervention'“, lachte sie. „Ich wollte sehen, ob der Mann, der so versunken in Büchern lebte, auch im echten Leben Geschichten finden konnte.“

„Und? Habe ich bestanden?“

Sie lehnte sich vor und küsste ihn sanft. „Mit Auszeichnung.“

Als sie ihre Bestellung aufgaben, legte Nora etwas auf die Theke – einen einzelnen weinroten Handschuh.

„Für die Fundkiste“, sagte sie zum verwirrten Barista. „Vielleicht findet jemand anderes auch sein Glück.“


Draußen fiel der erste Schnee des Jahres, tanzte in der Luft wie weiße Gedankenfetzen. Sie gingen Hand in Hand durch die Straßen, ihre Schritte hinterließen Spuren, die bald verschwinden würden – flüchtige Zeichen ihrer Anwesenheit in der Welt.

„Zieh bei mir ein“, sagte Matthias plötzlich. Es war keine Frage, eher eine Feststellung einer bereits existierenden Wahrheit.

Nora blieb stehen, ließ die Schneeflocken auf ihr Gesicht fallen. „Bist du sicher? Ich bin chaotisch. Ich hinterlasse Farbflecken auf allem, was ich berühre.“

„Ich weiß“, sagte er und drückte ihre Hand. „Das ist es, was ich will. Deine Farben in meinem Leben.“

Sie lächelte, dieses besondere Lächeln, das ihre Augen zum Leuchten brachte. „Dann ja.“

Sie gingen weiter, zwei Gestalten in einer verschneiten Stadt, verbunden durch mehr als den Zufall, durch mehr als eine unscheinbare Begegnung. Verbunden durch die bewusste Entscheidung, Teil des Lebens des anderen zu sein, Tag für Tag, durch alle Jahreszeiten hindurch.

Der Schnee fiel weiter, bedeckte die Stadt mit einer Stille, in der ihre Schritte wie Worte klangen, geschrieben auf die weiße Seite eines neuen Kapitels.


Entdecke mehr von Wissens Weben

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Von Bruno Schelig

Seit 2012 im Internet unterwegs und freischaffend tätig. Die Freiheit des Geistes über alle Regeln, jeden Bestand und gegen jedwedes Schubladendenken. Die Intention ist Wissensteilung, wo immer auch möglich. Bei YouTube und Amazon Bruno Schelig suchen.

Kommentar verfassen