Es ist ein verführerischer Rhythmus, der des Impulses. Man kann sich von ihm durch das Leben walzen lassen, ein rauschhafter Tanz im Dreivierteltakt der Gefühle. Man wird zur Druckwelle der eigenen Bedürfnisse, unaufhaltsam, berauscht von der eigenen Kraft, jeden Widerstand einfach plattzumachen. Das ist ein Leben im Fortissimo, laut und fordernd. Doch in diesem Lärm überhört man die leisen Fehldrucke in der eigenen Partitur.
Denn wahrhaft er-wachsen zu sein, bedeutet nicht, einfach nur ungebremst weiter zu wachsen. Es bedeutet, der Gärtner des eigenen Wildwuchses zu werden. Die erwachsene Seele ist nicht mehr nur Passagier im Sturm der Affekte, sondern sie lernt, die Segel zu setzen – und sie auch wieder einzuholen.
Sich zurückzunehmen ist vielleicht die subtilste Form der Stärke. Es ist die Kunst, das eigene Manuskript des Lebens zu lesen und zu erkennen, wann ein Kapitel überladen ist, wann die Handlung sich ver-rannte. Es ist die Fähigkeit, nicht nur der Autor seiner Geschichte zu sein, sondern auch ihr schärfster Lektor.
Man kann durch die Welt poltern, getrieben von der Illusion, dass jede Bewegung Fortschritt sei. Aber Weiter-entwicklung ist oft kein Vorwärts-stürmen, sondern ein Inne-halten. Es ist der Moment, in dem die Seele den Scheinwerfer von der Welt abwendet und ihn auf die eigene Bühne richtet. Sie durchleuchtet die Kulissen des eigenen Handelns und fragt: War dieser Auftritt wahrhaftig? Oder war er nur laut?
Das Kind im Inneren will Recht haben. Die erwachsene Seele will richtig liegen.
Der entscheidende Akt der Reife geschieht im Stillen, ohne Souffleur. Er ist das Ruder, das man selbst herumreißt – nicht, weil ein Sturm aufzieht, sondern weil man selbst erkennt, dass der Kurs falsch war. Es ist das Eingeständnis ohne Publikum, dass der eingeschlagene Weg eine Sackgasse war, auch wenn die Landschaft noch so schön blühte.
Wer nur auf den Gegenwind von außen wartet, um die Richtung zu ändern, der re-agiert nur. Wer aber in der Windstille selbst erkennt, dass die Reise ins Leere führt, der agiert. Das ist der Unterschied zwischen getrieben sein und souverän sein. Die erwachsene Seele braucht keinen Hinweis von anderen; ihr genügt der Einblick in sich selbst.
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