Wir sind die kleinen Menschen.
Wir sind nicht die Titanen der Mythen, nicht die unfehlbaren Helden auf den Leinwänden. Wir sind die, die morgens den Kaffee verschütten, die im Regen auf den Bus warten und die stillen Rechnungen im Kopf addieren. Wir sind die Summe unserer zitternden Hände und unserer verpassten Gelegenheiten.
Und doch, in der unscheinbaren Brust eines jeden von uns, da tobt ein Krieg. Ein Krieg, der keinen Applaus kennt, keine Siegesparaden und keine Geschichtsbücher füllt. Es ist der innere Kampf. Der tägliche Ringkampf mit unseren eigenen Dämonen.
Die Dämmerung im Inneren
Nennen wir sie beim Namen, diese Schattenwesen. Sie sind die Echos alter Verletzungen, die flüsternde Stimme des Selbstzweifels, die bleierne Decke der Angst, die zornige Faust der Ohnmacht. Sie sind unsere ganz private Dämonologie.
Und hier ist die bittere, befreiende Wahrheit: Wir werden sie nie besiegen. Nicht endgültig.
Es gibt keinen Exorzismus für die Vergangenheit. Es gibt keinen finalen Schlag, nach dem der Selbstzweifel für immer am Boden bleibt. Diese Dämonen sind keine Eindringlinge; sie sind Teil unserer inneren Topographie. Sie sind die tiefen Schluchten, die die Flüsse unseres Lebens gegraben haben. Wer sie auslöschen wollte, müsste sich selbst auslöschen.
Der Kampf ist kein Sprint auf ein Siegerpodest. Es ist ein Marathon ohne Ziellinie.
Das „Warum“ – Ein Kompass aus Trotz
Warum also? Warum stehen wir jeden Morgen auf und nehmen den Kampf wieder auf? Warum ringen wir mit der Angst, wenn wir wissen, dass sie morgen wieder anklopfen wird? Warum versuchen wir, gütig zu sein, wenn der Zynismus so viel einfacher wäre?
Weil wir, in unserem Kern, an das Gute und das Richtige glauben.
Es ist kein lauter Glaube. Es ist kein Dogma. Es ist ein leises, störrisches „Trotzdem“. Es ist der innere Kompass, dessen Nadel zittert, aber unermüdlich nach „Wertvoll“ zeigt, auch wenn der Sturm der Erfahrung nach „Sinnlos“ brüllt.
Wir kämpfen nicht, weil wir den Sieg erwarten. Wir kämpfen, weil die Alternative – die Kapitulation vor der Dunkelheit – ein Verrat an dem Funken wäre, der uns zu Menschen macht. Aufzugeben wäre einfach. Aber wir sind nicht für „einfach“ gemacht. Wir sind für „wahrhaftig“ gemacht.
Die Entmachtung der Geister
Wir alle tragen unsere Geister mit uns. Die Erfahrungen der Vergangenheit, die sich wie Anker an unsere Knöchel ketten wollen. Sie sind die „Du kannst nicht“, die „Du bist nicht“ und die „Es wird immer so sein“.
Lange Zeit haben wir geglaubt, diese Geister bestimmen, wer wir sind. Sie waren das Drehbuch, und wir nur die Schauspieler.
Aber wir haben etwas verinnerlicht. Etwas Tiefgreifendes.
Die Vergangenheit ist ein lauter Gast, ja. Sie sitzt uneingeladen an unserem Tisch und erzählt immer dieselben, alten Geschichten. Aber wir haben gelernt, dass wir nicht mit ihr diskutieren müssen. Wir haben verinnerlicht, dass ihre Narben zwar Landkarten sind, aber sie bestimmen nicht unser Ziel.
Unsere Gegenwart ist kein Echo der Vergangenheit. Sie ist eine Entscheidung. In jeder Sekunde.
Die Erfahrung mag uns gelehrt haben, vorsichtig zu sein, aber sie diktiert nicht, dass wir ängstlich bleiben müssen. Das Gestern ist ein Referenzpunkt, kein Gefängnis. Wir haben den Schlüssel, auch wenn unsere Hände zittern, während wir ihn ins Schloss stecken.
Die unsichtbare Groß-Artigkeit
Und hier, in diesem stillen Ringen, hier vollbringen wir Großes.
Es ist nicht die Art von Größe, die man misst oder ausstellt. Es ist die Größe, die darin liegt, ein gebrochenes Herz zu haben und sich trotzdem wieder der Liebe zu öffnen. Es ist die Größe, von der Angst gelähmt zu sein und trotzdem den einen, kleinen Schritt nach vorn zu tun. Es ist die Größe, einen Fehler gemacht zu haben und sich für Vergebung zu entscheiden, statt für Verbitterung.
Unsere größten Siege sind die, von denen niemand jemals erfahren wird.
Der Moment, in dem wir den Impuls zur Wut unterdrücken und stattdessen durchatmen. Der Morgen, an dem die Depression schwer wie Blei liegt, und wir es trotzdem schaffen, aufzustehen und uns das Gesicht zu waschen. Der Anruf, vor dem wir uns fürchten, den wir aber dennoch tätigen.
Das ist keine Kleinigkeit. Das ist die Essenz des Heldentums im menschlichen Maßstab.
Wir sind die kleinen Menschen. Unsere Leben sind vielleicht nur ein Flackern im großen Wind der Zeit. Aber in unserem Inneren, im stillen Theater unserer Seele, da kämpfen wir jeden Tag den edelsten aller Kämpfe. Nicht gegen Drachen oder Armeen.
Sondern für das Licht. Trotz der Dämonen.
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